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Objekt des Monats November 2021

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Die Wärmerolle und ihr Kabel — Das Objekt des Monats September 2021. Foto: Industriemuseum

 

Objekt des Monats November 2021 | Die Wärmerolle

von Sonja Degenhard

 

Datierung: 1920er Jahre

Material: Porzellan, Kunststoff, Textil, Metall

Maße: Durchmesser 8,5cm, Länge 36,5cm

Hersteller: Rosenthal (Porzellan) und AEG (Elektrik)

Inventarnummer: 2021-0404

 

Ein brandgefährlicher Bettwärmer

Bei unserer Wärmerolle handelt es sich um einen Dachbodenfund. Vermutlich stammt sie aus dem Besitz des Großvaters der Spenderin. Wärmte die Rolle sein Bett in Barmstedt? Oder wurde sie wegen der Brandgefahr sehr rasch nach dem Kauf auf den Dachboden verbannt? Die Kratzer auf der Glasur lassen zumindest erahnen, dass sie mehr als eine Nacht im Bett verbracht hat. Das der Form geschuldete Umherrollen des Bettwärmers dürfte der Grund für die Gebrauchsspuren sein. Auch der Stempel der Porzellanmanufaktur Rosenthal ist restlos abgerieben. Auf ihm stand ursprünglich „Bettwärmer – Nur fünf Minuten anheizen“.

Bereits seit der Steinzeit versuchten die Menschen, ihre Schlafstätte zu erwärmen, um es nachts gemütlich zu haben. Hier kamen besondere Flusskiesel zum Einsatz, die Wärme gut hielten. Danach waren Backsteine für eine lange Zeit der Wärmespender der Wahl. Vorwiegend quaderförmig, manchmal auch oval, wurde der Backstein im Ofen oder auf der Herdplatte erwärmt und dann ins Bett gelegt, um dem kalten Winter zu trotzen. Neben dem Backstein als Wärmespender wurden auch mit heißer Kohle gefüllte Pfannen sowie Wärmflaschen benutzt. Letztere waren zuerst meistens aus wärmeleitendem Metall, dann aus hitzebeständigem Kunststoff gefertigt. Als Ende des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung allmählich die flächendeckende Stromversorgung in den Privathaushalten ankam, entstand auch eine Elektrogeräte-Industrie. Es dauerte nicht lange, bis Wärmespender elektrifiziert wurden. Unser Objekt des Monats, die Wärmerolle, ist ein Beispiel für einen frühen elektrischen Wärmespender. Die Rolle wurde von den Firmen AEG und Rosenthal ab 1921 hergestellt.

Während die Porzellanmanufaktur Rosenthal seit 1879 besteht, ist die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ vier Jahre jünger. Rosenthal überdauerte trotz der jüdischen Herkunft des Firmengründers Philipp Rosenthal den Zweiten Weltkrieg und stellt bis heute sowohl Produkte für den gedeckten Tisch als auch Einrichtungsgegenstände aus Porzellan, Glas und Keramik her. Die Firma AEG hingegen wurde 1996 aufgelöst. Heute vertreibt das schwedische Unternehmen Electrolux Haushaltsgeräte unter der Marke AEG.

Die vorliegende Wärmerolle ist noch funktionsfähig. Allerdings ist es nicht mehr ratsam, sie zu nutzen, da sie kein Thermostat besitzt. Erst seit den 1970er Jahren gibt es vollelektronische Temperaturschalter, wie sie zum Beispiel in Backöfen zum Einsatz kommen. Weil ein solcher Temperaturschalter, der das Aufheizen ab einer bestimmten Temperatur unterbricht, nicht vorhanden ist, besteht bei der Wärmerolle von 1921 eine akute Brandgefahr! Verbrennungen der Haut und des Bettzeugs können leicht auftreten.

Möchten Sie die Wärmerolle einmal im Original betrachten? Sie befindet sich in einer Vitrine im Erdgeschoss des Industriemuseums, in welchem das Alltags- und Arbeiter*innenleben in der Industrialisierung dargestellt wird.


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