Selbstgemachtes Schachspiel eines Kriegsgefangenen
Selbstgemachtes liegt im Trend, Do It Yourself boomt: Unzählige Blogs, Internetseiten, Zeitschriften, Kreativ-Werkstätten und Repair-Cafés bieten Anleitungen und Austausch für die handwerkliche Betätigung und künstlerische Selbstverwirklichung. Nähen, Basteln, Kleben, Sägen, Hämmern, Malen, Recyceln, Upcyceln – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, um Nützliches und Schönes eigenhändig herzustellen.
Der Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass Menschen jedoch nicht nur aus Freude am Selbermachen und Spaß an schönen Dingen kreativ wurden. Gerade in Notzeiten wie Wirtschaftskrisen und Kriegs- und Nachkriegswirren war es für große Teile der Bevölkerung unbedingt notwendig, Dinge des täglichen Gebrauchs selbst anzufertigen, da das Geld zum Kaufen fehlte. Kleidung, Haushaltsgeräte oder Spielzeug wurden in Handarbeit aus unterschiedlichsten Materialien eigenhändig hergestellt.
Schachspiel aus Holz und Schuhcreme
Aus einem ganz besonderen historischen Kontext des Selbermachens stammt das aktuelle Objekt des Monats aus dem Industriemuseum: Das Schachspiel wurde 1944/45 von einem deutschen Soldaten in englischer Kriegsgefangenschaft mit Hilfe eines kleinen Taschenmessers aus Holz angefertigt. Das Holz nahm er vom Feuerholz in der Küche, die schwarze Farbe mischte er selbst aus Schuhcreme und Ruß. Das Spiel besteht aus einem aufklappbaren Holzkasten, dessen Ober- und Unterseite mit einem typischen Schachbrettmuster bemalt sind. Aufgeklappt ergibt sich so das notwendige Spielfeld. Durch einen Metallhaken mit Nagel lässt sich der zusammengeklappte Kasten fest verschließen, so dass die insgesamt 32 Schachfiguren darin aufbewahrt werden können. Diese sind aus Holz geschnitzt. 16 Figuren sind farblos lackiert, die anderen 16 Stück mit der improvisierten schwarzen Farbe überzogen.
Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft brachte der Soldat das Schachspiel mit nach Deutschland. Da seine eigenen Kinder noch zu klein waren, um Schach spielen zu lernen, spielte er häufig mit dem älteren Nachbarsjungen. Dieser wurde später sogar Norddeutscher Jugendschachmeister und leitet bis heute Schachkurse.
„Art of Selfmade“
Das Schachspiel und viele weitere selbstgemachte Objekte sowie ihre Geschichten können vom 28. Februar bis 03. April in der neuen Sonderausstellung „Art of Selfmade. Von der Notwendigkeit und Lust des Selbermachens“ im Industriemuseum Elmshorn entdeckt werden. Die Wanderausstellung wurde von der Geschichtswerkstatt Herrenwyk erarbeitet und mit Exponaten aus dem Industriemuseum ergänzt. Ihr Schwerpunkt liegt auf den 1920er bis 1950er Jahren, wobei sie insbesondere die Arbeiterkultur sowie die Mangeljahre und Lebensbedingungen der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg in den Blick nimmt. Die Ausstellung zeigt Selbstgemachtes aus Stoff, für Haus und Hof, zum Spielen und zur Freude anderer. Entstanden sind die präsentierten Exponate aus Mangel und Notwendigkeit, Sparsamkeit, Geschick und Einfallsreichtum und manches auch mit kreativer Freude.
Inventarnummer: 2014-0053
Datierung: 1944/45
Material: Holz, Metall
Maße: B 34,3 cm, T 18,3 cm, H 4,2 cm
Hersteller: Deutscher Soldat in englischer Kriegsgefangenschaft
Standort: Sonderausstellung „Art of Selfmade“, 2. OG, Industriemuseum Elmshorn